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Wie kommt es zum Blackout

Europakarte

Europas Verbundnetz wird oft als "die größte Maschine der Welt" bezeichnet. Neben dem Internet ist das Verbundnetz mit Sicherheit eines der komplexesten System das je von Menschenhand geschaffen wurde. Das Netz wurde nicht als solches geplant und gebaut. Es ist im Laufe der Jahre durch die Vernetzung vieler kleiner Teilnetze entstanden. Diese Vernetzung bringt sehr viele Vorteile. So können zum Beispiel Überschüsse von einem Ort zum anderen transportiert werden. Mängel in einem Land können durch Überschüsse in einem anderen Land ausgeglichen werden. Bei Störungen und Abschaltungen auf Grund von Wartungen gibt es mehrere Versorgungswege, so dass der Endverbraucher von dem Allem nichts mitbekommt.

Alles was Vorteile hat, hat meistens auch eine Kehrseite. Früher haben uns z.B. Störungen in Spanien oder Polen hier in Österreich nicht berührt. Heute können Großstörungen auf Grund der Vernetzung und Digitalisierung, Auswirkungen auf mehrere Länder oder sogar ganz Europa haben.

50Hz - Der Herzschlag unseres Stromnetzes

Die Netzfrequenz von 50Hz ist sozusagen der Herzschlag unseres Stromnetzes. Diese Frequenz muss immer konstant gehalten werden. Wo kommt diese Frequenz eigentlich her? Ein Synchrongenerator läuft, je nach Anzahl von Polpaaren (Wicklungen) entweder mit 3000, 1500 oder 750 Umdrehungen pro Minute. Bei einem Generator mit einem Polpaar errechnet sich somit die Frequenz wie folgt: 3000U/min / 60sec = 50Hz. Generatoren mit 2 Polpaaren laufen mit 1500 U/min. Da schaut die Berechnung so aus: 1500 U/min / 60sec x 2 (für die 2 Polpaare) = 50Hz. Diese Berechnungen zeigen, dass die Frequenz immer proportional an die Drehzahl der Generatoren gebunden ist. Steigt die Drehzahl, steigt die Frequenz. Fällt die Drehzahl fällt auch die Frequenz.

Warum ist die Frequenzhaltung so wichtig?

Die Netzfrequenz ist zu jeder Zeit, von Gibraltar bis Göteborg und von Paris bis Kiew, bis auf die letzte Kommastelle gleich. Das kommt daher, dass sich parallellaufende Generatoren, sobald sie synchron laufen, gegenseitig gewissermaßen "mitreißen" und dass über ganz Europa verteilt. Würde das nicht so sein und gäbe es unterschiedliche Frequenzen im Netz, so würde bedingt durch die entstehenden Spannungsdifferenzen (Siehe Abbildung), sehr große Ausgleichsströme fließen. Diese Ströme führen sofort zu Überlasten und unweigerlich zu Schäden in der Infrastruktur. Ein teilweiser oder totaler Absturz des Systems wäre die Folge. Um die Frequenz aufrecht zu erhalten, muss den Generatoren zu jeder Sekunde auf der einen Seite genau so viel Energie über Wasser- Dampf- oder Gasturbinen zugeführt werden, wie auf der anderen Seite durch die Last der Verbraucher entnommen wird. Wenn dieses Gleichgewicht nicht mehr aufrechterhalten werden kann und die Generatoren zu stark belastet werden, fällt deren Drehzahl. Wenn die Drehzahl fällt, fälltSinus auch die Frequenz. Ist jedoch mehr Strom im Netz, wie gerade gebraucht wird, steigt die Drehzahl und natürlich auch die Frequenz. Die Genauigkeit der Netzfrequenz beeinflusst nicht nur unsere netzsynchronen E-Herd Uhren (Frequenz zu hoch - Uhr geht vor, Frequenz zu gering - Uhr geht nach). Das wäre das geringste Problem. Ein größeres Problem liegt darin, dass große Generatoren und Turbinen (vor allem Gas- und Dampfturbinen), mit hunderten Tonnen schweren Rotoren, genau auf ihre Nenndrehzahl ausgewuchtet und optimiert sind. Abweichungen würden zu erhöhten Verschleiß und Beschädigungen führen, die in diesen Dimensionen leicht in die Millionen gehen können. Bevor, durch eine abweichende Frequenz (Drehzahl) Beschädigungen auftreten, trennt sich der Generator selbstständig vom Netz. Wenn sich auf Grund der Unterfrequenz mehrere Generatoren vom Netz trennen, entsteht eine Kettenreaktion bei der immer mehr Generatoren abschalten und die Frequenz als Folge der daraus folgenden Leistungsunterdeckung immer weiter absinkt. Im Extremfall setzt sich dieser Prozess so lange fort, bis sich alle Kraftwerke vom Netz trennen und das ganze System stromlos ist. Dieser Zustand wäre dann der klassische Blackout. Damit genau das aber nicht passiert, gibt es zahlreich Schutzmechanismen, die automatisch beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder einer bestimmten Frequenzabweichung, ausgelöst werden.

Worin liegt nun die Schwierigkeit die Frequenz zu halten?

Der Bereich in dem sich die Frequenz im Normalbetrieb bewegen darf, liegt zwischen 49,8Hz und 50,2Hz und wird von der ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) festgelegt um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Die Ausregelung innerhalb diese Bereiches erfolgt durch die Primärregelleistung. Diese beträgt europaweit ±3000MW und wird von unterschiedlichen Kraftwerksbetreibern in ganz Europa bereitgestellt. Der Betreiber verpflichtet sich selbständig die Frequenz zu messen und die Leistung seiner Generatoren, je nach Bedarf, zu erhöhen oder zu verringern und damit das Gleichgewicht im Netz zu halten und die 50Hz zu stabilisieren.

Sind die Abweichungen aber so groß, dass die innerhalb von Sekunden zur Verfügung stehenden ±3000MW nicht ausreichen, werden die Maßnahmen des "österreichischen Systemschutzplanes" abgerufen:

 49,8 Hz  Umschaltung auf den beschränkten Frequenzabhängigen Modus (LFSM-U) bei Erzeugungsanlagen der Typen C und D entsprechend „Anforderungen der Erzeugungsanlagen“ (TOR Erzeuger) • Automatisches Einleiten der Pumpenabstellprogramme: o Speicherpumpen: Automatisches Abstellen der Pumpen o Pumpturbinen: Automatischer Übergang von Pumpbetrieb auf Turbinenbetrieb • Energiespeicher: Übergang der Speicher in den Modus der Wirkleistungseinspeisung • Automatisches Einleiten von Maßnahmen für eine später einsetzende manuelle FRR durch Anfahren von dafür vorgesehenen Maschinensätzen • Zuschaltung von Pumpen nur im Einvernehmen mit dem jeweiligen Netzbetreiber 
 49,8 – 49,2 Hz Automatisches Anfahren von dafür vorgesehenen Generatoren nach einem mit dem ÜNB abzustimmenden Staffelplan Unterfrequenz-Lastabwurf Systemschutzplan Österreich Stand: 15.03.2021 13 Systemschutzplan Österreich
 49,6 – 49,2 Hz Automatisches unverzögertes Abschalten aller noch in Betrieb befindlichen Speicherpumpen und Pumpturbinen im Pumpbetrieb nach Staffelplan. Der Staffelplan ist mit dem ÜNB abzustimmen
 49,0 – 48,0 Hz   UFLA (Unterfrequenzabhängige Lastabwurf)
 ≤ 47,5 Hz Beginn der koordinierten Abstellprogramme zur Netzabtrennung von Maschinensätzen zur Sicherstellung des Kraftwerks-Eigenbedarfes. Die Frequenzwertfestlegung dafür richtet sich nach der Auslegung der betreffenden Maschinensätze ≤ 45 Hz • Abtrennung aller noch ans Netz geschalteten Maschinensätze zur Sicherstellung des Eigenbedarfes

 

Was können die Ursachen für einen Frequenzabfall und infolge eines Blackouts sein?

 Obwohl alle erdenklichen Situation durch Schutzmechanismen abgesichert sind, gibt es keine 100%ige Sicherheit. Europaweit gibt es tausende systemrelevante Komponenten und Vorgänge in den Erzeugungsanlagen, Umspannwerken und im Leitungsnetz. Genau so groß wie die Vielfalt des Netzes ist, ist auch die Anzahl der möglichen Störungen. Alle möglichen Störquellen abzudecken ist nahezu unmöglich und auch unfinanzierbar. Die steigende Vernetzung und die enorme Steigerung der Einspeisung der sehr volatilen PV- und Windenergie tun das ihre. 

Mögliche Ursachen für Störungen und gefährliche Situationen:

  • fehlende Leitungen
  • fehlende Großspeicher
  • fehlende rotierende Massen
  • technische Gebrechen
  • Wartungsfehler
  • Alterung von Komponenten
  • menschliches Versagen
  • Unwetter, Sturm Hochwasser
  • Trockenheit - Wasserknappheit
  • Fehlende Primärenergie (Kohle, Gas)
  • Syberangriffe
  • Terroranschläge
  • Wirtschaftliche Interessen stehen oft vor technischen Anforderungen

Diese Liste könnte man natürlich noch endlos fortsetzen.

Für jede einzelne Störung gibt es, wie schon erwähnt, Schutzmechanismen. Treten jedoch mehrere Störungen zur gleichen Zeit auf, kann es zu Situationen kommen, wo die vorhandenen Sicherheitseinrichtungen überlastet werden und durch eine Kettenreaktion ein Ausfall großer Teile oder sogar des Gesamtsystems nicht mehr verhindert werden kann. Die Anzahl der ungeplanten Situationen, bei denen der Netzbetreiber eingreiffen muss, steigt auf Grund der Energiewende und des Umbaues unserer Stromversorgung auf erneuerbare Energien, in den letzten Jahren enorm. 

 

 

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